Physiknobelpreis 1917: Charles Glover Barkla

Physiknobelpreis 1917: Charles Glover Barkla
Physiknobelpreis 1917: Charles Glover Barkla
 
Der englische Physiker erhielt den Nobelpreis für die Entdeckung der charakteristischen Röntgenstrahlung der Elemente.
 
 
Charles Glover Barkla, * Widnes (England) 7. 6. 1877, ✝ Edinburgh (Schottland) 23. 10. 1944; Studium der Mathematik und Physik in Liverpool, ab 1909 Professor für Physik an der University of London, ab 1913 Professor für Naturphilosophie an der University of Edinburgh, Mitbegründer der Röntgenspektroskopie.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Obwohl Wilhelm Röntgen (Nobelpreis 1901) bereits mit seiner ersten Veröffentlichung 1895 die Eigenschaften der Röntgenstrahlen sehr genau beschrieben hatte, war deren Natur immer noch rätselhaft. Denn es gelang nicht, Reflexion oder Brechung nachzuweisen, eine für elektromagnetische Wellen geforderte Eigenschaft. Ein Jahr nach der Entdeckung vermuteten der deutsche Physiker Johann Emil Wiechert und der englische Physiker Sir George Stokes mit ihrer Impulstheorie, dass es sich um Lichtstrahlen, lediglich mit kürzerer Wellenlänge, handeln müsse.
 
Barkla bestärkte diese Theorie durch den Nachweis ihrer Polarisation. Wie viele Physiker seiner Zeit arbeitete er mit der Kathodenstrahlröhre, um die Natur der Röntgenstrahlen zu ergründen. Er drehte die Röhre um den Röntgenstrahl als Drehachse und untersuchte die Sekundärstrahlen, die in einer Paraffinkugel erzeugt wurden. Bestünden die Röntgenstrahlen aus Korpuskeln oder longitudinalen Wellen, hätte die Sekundärstrahlung bei jeder Stellung des Röntgenrohres gleich stark sein müssen. Es zeigte sich, dass sie bei entgegengesetzter Stellung am größten war und in der Mittellage dazwischen am kleinsten. Damit war die Polarisation der Röntgenstrahlung und ihre Transversalität bewiesen, Eigenschaften, die auch das sichtbare Licht besitzt.
 
Der französische Physiker George Sagnac hatte 1897 entdeckt, dass jede Substanz, ob fest, flüssig oder gasförmig, nach der Bestrahlung mit Röntgenstrahlen eine sekundäre Strahlung aussendet. Barkla untersuchte dieses Phänomen an einem aus reinem Kohlenstoff bestehenden Block, den er aus mehreren Richtungen bestrahlte. Die sekundären Röntgenstrahlen waren wie beim sichtbaren Licht polarisiert. Dieses Ergebnis war Ausgangspunkt für die Erforschung der von Körpern ausgehenden Sekundärstrahlung. Barkla erkannte, dass diese Sekundärstrahlung aus zwei Arten bestand. Die Korpuskularstrahlung hat denselben Charakter wie die Kathodenstrahlen und wie die analogen Strahlen radioaktiver Substanzen. Sie besteht aus emittierten Elektronen. Die zweite Art zeigte den gleichen Charakter wie Röntgenstrahlen. Barkla entdeckte, dass es zwei Arten dieser sekundären Röntgenstrahlen gibt. Den einen Typ beschrieb er als diffuse Primärstrahlung. Sie interessierte ihn nicht.
 
 Jedes Element strahlt charakteristisch
 
Den zweiten Typ der sekundären Röntgenstrahlung untersuchte er sehr genau. Barkla konnte nachweisen, dass diese sekundäre Röntgenstrahlung homogen ist und die Absorptionskoeffizienten der bestrahlten Körper nicht von der Primärstrahlung abhängen. Die weiteren Analysen ergaben, dass auch Dichte, Temperatur, Aggregatzustand und chemische Zusammensetzung der bestrahlten Körper keinen essentiellen Beitrag dazu liefern. Er entdeckte, dass allein die Atomart die sekundäre Röntgenstrahlung bestimmte. Da jedes Element seine eigene spezifische sekundäre Röntgenstrahlung aussandte, nannte Barkla sie »charakteristische Röntgenstrahlung«.
 
So legte er die Grundlage für die Röntgenstrukturanalyse und fand einen Zusammenhang zwischen dem Atomgewicht und der emittierten charakteristischen Strahlung. Das interessierte Barkla besonders. 1909 schrieb er nach eingehenden Untersuchungen: »Wenn man die Elemente Chrom, Eisen, Kobalt, Nickel, Kupfer, Arsen, Selen und Silber mit geeigneten Röntgenstrahlen bestrahlt, emittieren sie einen nahezu homogenen Strahl an Röntgenstrahlen, dessen Durchdringungskraft für jedes Element charakteristisch ist.«
 
Er ordnete die aufgelisteten Elemente nach der Durchdringungskraft (Reichweite) der von ihnen ausgesendeten charakteristischen Röntgenstrahlen. Da es zu dieser Zeit nicht möglich war, die Wellenlänge oder die Frequenz der Strahlung zu bestimmen, bestimmte er die Durchdringungskraft, indem er die Absorption einer 0,1 Millimeter dicken Aluminiumfolie maß. Er bemerkte, dass die Durchdringungskraft mit dem Atomgewicht zunahm. Die geringe Durchdringungsfähigkeit der charakteristischen Röntgenstrahlen des Chroms nannte er »weich« und die hohe des Silbers »hart«, Diese Begriffe werden noch heute verwendet.
 
 Er bezeichnete die Elektronenschalen
 
1911 konnte Barkla bereits eine Tabelle mit 27 Elementen veröffentlichen, die von Aluminium (Ordnungszahl 13) bis Cer (58) reichte. Bei Elementen höherer Ordnungszahl als Silber (47) musste er eine neue verwirrende Beobachtung machen. Solche Elemente emittierten zwei charakteristische Röntgenstrahlen. Bei Zinn, Antimon und Iod fand er eine von der Aluminiumfolie sehr leicht absorbierte charakteristische Strahlung und zusätzlich eine mit sehr hoher Durchdringungskraft. Die deutlich zu unterscheidenden Strahlenserien bezeichnete er mit den Buchstaben K und L. In der Folge gelang es ihm, eine K-Serie vom Calcium (20) bis Cer und eine L-Serie vom Silber bis Wismut (83) aufzustellen. Er bemerkte dazu: »Früher mit den Buchstaben B und A bezeichnet. Die Buchstaben K und L sind aber vorzuziehen. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass es noch weitere Strahlenserien [...] gibt.«
 
Barkla konnte diese fundamentalen Ergebnisse nicht vollständig deuten. Er wusste noch nicht, wie ein Atom aufgebaut war. Mit seiner Vermutung von 1911, dass das Phänomen seiner charakteristischen Strahlung mit einigen einfachen Gesetzen vollständig zu erklären sein müsse, behielt er Recht. Die charakteristischen Spektren der Elemente entstehen, wenn Elektronen aus einer inneren Schale herausgeschossen werden. Fällt beispielsweise ein Elektron aus der L- oder M-Schale auf einen leeren Platz in der K-Schale, wird bei diesem Übergang ein Photon mit hoher Energie emittiert. Die in der Regel sehr scharfe Linie ist Teil eines charakteristischen Röntgenspektrums. Die von Barkla beschriebene diffuse Röntgenstrahlung ist das kontinuierliche Spektrum der Bremsstrahlung. Sie entsteht durch das starke Abbremsen der eingestrahlten Elektronen. Ganz ohne dieses Wissen gelang es dem jungen englischen Physiker Henry Gwyn-Jeffreys Moseley schon 1913 anhand der spezifischen Röntgenspektren und deren Frequenz, jedem Element, vom Aluminium bis zum Gold, einen Platz im Periodensystem zuzuordnen.
 
Charles Barklas große Verdienste werden seltsamerweise in den Physikgeschichtsbüchern nahezu vollständig ignoriert. Das mag damit zusammenhängen, dass er den Preis erst nach dem deutschen Physiker Max von Laue (Nobelpreis 1914) und den englischen Physikern William Henry und William Lawrence Bragg (Nobelpreis 1915) erhielt, die die Wellennatur der Röntgenstrahlen mithilfe der Kristallgitterinterferenz bewiesen und die Röntgenstrukturanalyse und die Röntgenspektroskopie entwickelten. Seine Nomenklatur der Elektronenschalen aber bleibt. Sie reicht heute von K bis Q.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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